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Two Worlds (Rollenspiel) – Two Worlds

Wann gab es das letzte gute Fantasy-Rollenspiel? Wann konnte man das letzte Mal mit Schwert und Schild in eine freie Spielwelt mit faszinierender Landschaft, spannenden Quests und offener Karriere abtauchen? Knapp ein Jahr ist es her, dass The Elder Scrolls IV: Oblivion auf hohem Niveau unterhalten konnte. Sechs Monate später enttäuschte Gothic 3. Jetzt will es Two Worlds wissen…

© Reality Pump / Zuxxez

Kleine Inkonsequenzen

Über Clippingfehler kann man hinwegsehen. Auch das störrische Reiten ist verschmerzbar. Und es gibt Kleinigkeiten, die in einer Fantasywelt negativ auffallen: Da ist ein Wirt. Er steht hinter seiner Theke. In jedem anderen Rollenspiel hat er ein

Egal ob Tagebuch, Inventar oder Karte – alles vorbildlich. In einer dermaßen riesigen Spielwelt stößt man natürlich auf kleine Fehler, die man verschmerzen kann…

paar Bier und Gerüchte auf Lager. Hier ist er meist nur Staffage und wenn man ihn nach seinen Waren fragt, antwortet er, dass er nichts zu handeln hat. Das ist schade, denn gerade Tavernenszenen können viel Atmosphäre schaffen – hier sucht man sie vergeblich. Man vermisst oftmals auch den Blick für Details, den Feinschliff: Nehmen wir den weißen Ork, diesen imposanten Anführer der Grünhäute: Tötet man ihn, bekommt man ein paar läppische Goldmünzen und eine schnöde Axt, obwohl einem jeder kleine Grom mehr hinterlässt. Nehmen wir den Auftrag der Händler, die euch mehrere Male die Überbringung eines heiklen Paketes anvertrauen – wird man überfallen? Nein.

Dafür bekommt man sie an anderen Stellen: Es gibt einige gute Quests, in denen ihr zwischen Schuld und Unschuld, Rache und Vergebung entscheiden könnt. Gerade diese Situationen retten Rollenspielflair. Da ist ein Vater, der in einem Blutrausch Heiler ermordet, weil sie seiner Tochter nicht helfen wollten; er konnte sie nicht bezahlen. Helft ihr ihm? Nur vermisst man hier die diplomatischen Nuancen eines KotOR. Es geht nur darum, den Vater oder den Heiler zu töten – eine gewaltfreie Alternative ist nicht in Sicht.

Obwohl manche Figuren tatsächlich einen Tagesablauf haben, also arbeiten, sammeln, schlafen oder verkaufen, scheint der Großteil der Bevölkerung recht stupiden Wegen zu folgen. Man betritt einen kleinen Raum manchmal zeitgleich mit sechs, sieben Figuren, die kurz darauf wieder hinaus treten. Obwohl die großen Städte belebt sind, was Passanten auf den Straßen angeht, obwohl sie euch grüßen, Straßen fegen oder manchmal etwas in ihren Bart murmeln, vermisst man z.B. auch mehr Frauenfiguren oder den echten Alltag einer Stadt mit lauthals rufenden Händlern, bunten Narren, kreischenden Kindern oder wenigstens Zwischenfällen. Selbst manches Online-Rollenspiel ist da heutzutage interaktiver oder streut instanzierte Dramatik über Überfälle & Co ein. An der Illusion einer lebendigen Metropole scheiterte schon Oblivion und auch Two Worlds kann nur mehr pompöse Fassade als echte Inhalte anbieten.

Große Inkonsequenzen

…leider gibt es auch größere in der Spiellogik, denn manchmal gibt es trotz Zeugen und Sichtkontakt keine Konsequenzen für billige Morde. Hier konnten wir einfach einen Propheten niedermetzeln, die Leibwache schaute zu.

Trotzdem kann man das verschmerzen, denn Reality Pump hat immerhin deutlich mehr Stadtbewohner und Dörfler zu bieten als Oblivion. Die Fassade ist ansehnlicher, aber dafür gibt es hier auch mehr innere Logikprobleme. Schwer nachvollziehbar ist z.B. folgende Situation: Da ist ein geheimes Rebellenlager in den Bergen. Eine griesgrämige Wache namens Marcas steht vor dem Eingang. An ihr vorbei schleichen bringt nichts, denn das Schloss ist rot markiert und damit unknackbar. Warum eigentlich, wenn man erfolgreich geschlichen ist? Für echte Diebe ist Two Worlds weitaus weniger interssant als Oblivion, wo man mit der Graufuchs-Kampagne richtig gefordert wurde. Zurück zu Marcas: Man spricht ihn an und er verweigert barsch den Zutritt. Kein Wunder, denn man hat noch nicht den benötigten Rang. Bis hierhin ist alles okay. Es gibt allerdings auch keine Möglichkeit, die Wache in einem Dialogspiel zu überzeugen oder sie zu bestechen.

Was tun? Entweder langfristig am eigenen Rang arbeiten. Oder sie einfach niedermetzeln! Dann fällt sie um und das Tor ist plötzlich offen. Später begrüßen euch andere Rebellen, denen der Tod ihres Kumpels völlig egal ist. Ist mein Ruf gesunken? Nein. Gibt es eine nachhaltige Konsequenz? Nein. Laut Entwickler sorgt der erste Patch dafür, dass einem die Rebellen unfreundlicher begegnen – leider konnten wir das nicht erfahren. Ich kann immer noch hinein spazieren und mit den Leuten sprechen. Schlimmer: Ich kann später sogar den Anführer töten und zurück durchs Lager spazieren. Und noch schlimmer: In dessen Unterschlupf verbirgt sich auch noch schrecklich unbewacht das erste der fünf Relikte. Das war zu leicht…

Ich kann diese brutale Strategie später wiederholen. Wo? Vor dem Lager der Diebesgilde in Gorelin will man mich nicht einlassen. Also Schwert raus, Kopf ab und ohne Reaktion des voll besetzten Gildenpostens hinein. Im Lager eines Außenpostens kann ich den Kommandeur vor den Augen der Soldaten töten, ohne dass ihm jemand hilft. Das wird zwar erzählerisch etwas damit begründet, dass er ausgesprochen unbeliebt ist, aber hätte man ihm nicht eine Leibwache spendieren können? Hier verspielt Two Worlds wichtige Punkte in Sachen Glaubwürdigkeit.

Die Wache will euch nicht in die Stadt lassen. Statt Alternativen wie Geheimwege oder Bestechung anzubieten, lässt euch Two Worlds einfach über das Töten in die Stadt…oder, indem ihr euren Rang bei den Dieben ausbaut.

Wo bleibt da die Herausforderung? Zum Verständnis: Man wollte nicht das System von Oblivion übernehmen, dass jedes Verbrechen auch ohne Zeugen quasi überall in der Welt bekannt ist – das ist lobenswert. Aber hier ist es so, dass die NPCs selbst Morde in ihrer unmittelbaren Umgebung ignorieren. Und spätestens, wenn man einen Anführer einer Fraktion tötet, hätte automatisch der Ruf bei ihnen gesenkt werden oder Hetzjagden veranstaltet werden müssen. Diese Situationen zerstören die Illusion einer glaubwürdigen Spielwelt und animieren mich, einfach alles zu töten.

Immerhin gibt es einen Rettungsanker über langfristige Konsequenzen: Habt ihr die Rebellenanführer getötet und kommt danach zum Lord Skelden, weiß er tatsächlich Bescheid und belohnt euch für die Tat. Außerdem deutet er an, dass der Kampf der Rebellen damit so gut wie verloren ist. Geht ihr dann zurück in das Lager der Rebellen, ist es tatsächlich verlassen – sehr schön!